Das Bild zeigt Bergbauleute unter Tage in einer zum Teil bereits mit Beton verschalten Strecke.
Streckenausbau im Schacht Konrad in 850 Metern Tiefe.
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Interview

Die BGE in Peine – ein Unternehmen mit einzigartigen Aufgaben

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit Sitz in Peine ist für die Suche, Errichtung und den Betrieb eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle verantwortlich. Das Unternehmen errichtet außerdem das Endlager Konrad in Salzgitter für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, legt das Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt still und plant die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II. Darüber hinaus schließt das Unternehmen das Bergwerk Gorleben. 

Mit Marlis Koop, Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin der BGE, sprechen wir über eine Aufgabe für Generationen, maximale Transparenz als Leitbild, die Herausforderung, schwierige Themen einfach zu erklären und einen Lichtblick in der Asse.


Das Bild zeigt das Porträt einer Frau vor einem unscharfem Hintergrund. Marlis Koop, Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin der BGE.

Peine.NextLevel: Frau Koop, was ist die Besonderheit der BGE? 

Marlis Koop:  Unsere Aufgaben, darunter die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle, sind einzigartig. Die Rückholung der Abfälle aus der Asse – so etwas hat noch nie jemand versucht. Es gibt weltweit nichts, was damit vergleichbar wäre.

Wie viele der rund 2.500 Beschäftigten der BGE arbeiten in Peine und mit welchen Aufgaben sind diese befasst?

Peine ist mit knapp 800 Mitarbeitenden unser größter Standort. Viele von ihnen betreuen Support-Prozesse, darunter Controller, Personaler, Juristen und Kommunikations-Experten. Aber auch das gesamtgesellschaftspolitisch herausfordernde Großprojekt der Standortauswahl ist mit seinen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Projektmanagern am Hauptsitz in Peine allokiert. Außerdem unterstützt unsere technische Einheit mit vielen wissenschaftlichen Kräften wie Geologen und Chemikern die Projekte vor Ort wie Schacht Konrad in Salzgitter. 

Wie stark trifft die BGE der Fachkräftemangel?

Wir sind grundsätzlich gut aufgestellt. Aber wenn wir Stellen nachbesetzen müssen, sind Fachkräfte zum Beispiel im Bereich Strahlenschutz oder Bergbau nicht leicht zu finden. Wir unterstützen daher gezielt die Nachwuchsförderung. Wir bieten sechs Ausbildungslehrgänge unter anderem im Bergbau an sowie duale Studiengänge – und wir werben an Hochschulen wie der Technischen Universität Clausthal oder der Universität Freiberg um Nachwuchskräfte. Durch Kooperationen mit Universitäten beispielsweise in Clausthal, Aachen und Freiberg unterstützen wir gezielt die Lehre und bringen unsere spannenden und herausfordernden Aufgaben den Studierenden näher. Im Rahmen einer Vielzahl von Forschungsvorhaben mit Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland fördern wir gezielt auch die Ausbildung junger Menschen in Form von Masterarbeiten und Promotionen.

Transparenz gehört zu den Grundprinzipien der BGE – wie setzen Sie diesen Anspruch in der Praxis um? 

Wir legen Wert auf einen Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit in allen möglichen Facetten. In unseren Informationsstellen und bei Besuchen in unseren Bergwerken können sich die Leute vor Ort informieren. Wir sind mit vielen Bürgerinitiativen im Gespräch und bieten eine Informationsveranstaltungsreihe zu jedem Endlagerprojekt unter dem Titel „Betrifft“ als Online-Format an. Wir veröffentlichen Informationen aktiv auf unserer Online-Seite und in sozialen Medien. Mehrmals im Jahr erscheint unser kostenloses Magazin „Einblicke“, in dem wir über unsere Projekte informieren. 

Das Bild zeigt das Zentralgebäude der BGE aus der Vogelperspektive. Die Zentrale in Peine ist mit rund 800 Beschäftigten der größte Standort der BGE.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Aufklärungs- und Informationsarbeit der BGE bei Themen wie Geologie oder Radioaktivität, die unter Umständen Ängste wecken und sehr komplex sind?

Die wesentliche Herausforderung ist, komplexe Dinge einfach zu erklären. Es geht nicht darum, der Öffentlichkeit alle ingenieurstechnischen Aspekte des Bergbaus im Endlager Konrad zu erläutern. Unser Anspruch ist es, zu verdeutlichen, was dort passiert, warum wir dies tun und wie sicher wir das tun. Wir müssen als Unternehmen zuhören und verstehen, welche Sorgen die Menschen vor Ort bewegen. Das heißt nicht, dass wir immer einer Meinung sein müssen, aber wir können Ängste nehmen, indem wir unsere Arbeit erklären. 

Die BGE hat in der Asse auf der Suche nach eindringendem Wasser bei einer Bohrung einen deutlichen Wasserstrom gefunden, der nun abgepumpt wird. Ist die Situation damit entschärft? 

Ob das aufgefundene Wasser unterhalb der 658-Meter-Sohle das Wasser ist, was wir gesucht haben, werden wir erst in einigen Wochen wissen, wenn auf der 725-Meter-Sohle weniger ankommt. Die Aufgabe, die Schachtanlage Asse II über Jahrzehnte stabil zu halten, bleibt eine Herausforderung, an der viele Kollegen mit Hochdruck arbeiten.

Was ist im Endlager Konrad noch zu tun und wann kann die Einlagerung beginnen?

Es geht auf der Baustelle voran, aber das Endlager Konrad ist ein komplexes Zusammenspiel von mehreren, sehr aufwändigen Bauprojekten über Tage und unter Tage. Wir gehen aktuell davon aus, dass die Einlagerung Anfang der 2030er-Jahre beginnen kann. Wir stehen derzeit vor der Herausforderung, den Förderturm an Schacht 1 zu ertüchtigen. Wir müssen die Umladehalle fertigstellen, in der später die radioaktiven Abfälle ankommen. In Schacht 2, über den später die radioaktiven Abfälle eingelagert werden, wird in 850 Metern Tiefe die nötige Infrastruktur errichtet. Derzeit laufen dort Betonierungsarbeiten.

Das Bild zeigt aus der Vogelperspektive Gebäude mit einem Förderturm sowie die umliegende Landschaft.  Die Schachtanlage Konrad 1 in Salzgitter aus der Vogelperspektive.

Die BGE sucht einen Standort für hochradioaktive Abfälle mit bestmöglicher Sicherheit für eine Million Jahre. Nach welchen Kriterien wird die Sicherheit für diesen enorm langen Zeitraum bewertet?

Unsere Prämisse ist durch das Standortauswahlgesetz geregelt: Die Standortauswahl ist ein lernender Prozess. Wir sind derzeit dabei, mit Hilfe der geologischen Daten von den Bundes- und Landesbehörden die im Jahr 2020 veröffentlichten Teilgebiete hinsichtlich ihrer Eignung für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu bewerten und weiter einzuengen. Dabei stehen wir mit unserer Aufsicht, dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in einem stetigen Austausch. Der kontinuierliche Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit ist uns bei diesem gesamtgesellschaftspolitischen herausfordernden Großprojekt besonders wichtig. Des Weiteren werden wir konstruktiv-kritisch durch das Nationale Begleitgremium (NBG) begleitet.

Ende 2027 will die BGE einige wenige Standortregionen für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll benennen – wie geht es danach weiter?

 2027 übergeben wir unseren Standortregionen-Vorschlag unserer Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), welche den Vorschlag überprüft – dann wird der Vorschlag in den Bundestag eingebracht. Dieser entscheidet dann über Standortregionen, die übertägig erkundet werden sollen, zum Beispiel durch seismische Erkundungen. Am Ende der übertägigen Erkundung müssen mindestens zwei Standorte übrig bleiben. Diese werden untertägig genauer erkundet. 

Was müssen diese Standorte für Gegebenheiten erfüllen, um als Endlager in Frage zu kommen?

Das Gestein für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle muss für eine Million Jahre eine hohe Dichtigkeit und Stabilität aufweisen. Im Standortauswahlgesetz sind drei Wirtsgesteine aufgeführt, die für eine Endlagerung in Betracht kommen: Steinsalz, Tongestein und kristallines Wirtsgestein z. B. Granit. Auf der einen Seite ist es komfortabel, dass wir diese Auswahl haben, macht aber auf der anderen Seite den Prozess nicht einfacher. 

Was sind die wichtigsten Lehren aus der Vergangenheit für die Endlagersuche?

Das Standortauswahlgesetz schreibt vor, dass wir nach dem Standort mit der bestmöglichen Sicherheit suchen müssen, nicht nur nach einem geeigneten Standort. Wir informieren regelmäßig die Öffentlichkeit und stehen im stetigen Dialog mit interessierten Institutionen und Gruppen. Das Standortauswahlverfahren ist ein wissenschaftsbasiertes, transparentes, partizipatives, lernendes und selbsthinterfragendes Verfahren. Das ist genau die Besonderheit, warum dieser Prozess so spannend ist und viel Zeit erfordert – mit Blick auf die Sicherheit von Mensch und Umwelt für eine Million Jahre ist unser Anspruch an unsere Arbeit hoch, weshalb wir uns auch immer selbst hinterfragen.

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